· Qualität von PC-Netzteilen ·

PC-Netzteile als Beispiel für einen gefährlichen Kostendruck -
Oder: Warum Made in Germany nicht teuer ist

PC-Netzteile sind absolute Billigprodukte. Welche Auswirkungen der Preisdruck auf die Qualität haben kann, wird bei PC-Netzteilen mehr als deutlich. Wir haben einige unter die Lupe genommen, aber man braucht keine Lupe. - Die schwerwiegenden Fehler sind offensichtlich.

Primärseite

Auf der Primärseite wird zum Beispiel die auf dem Typenschild angegebene und gesetzlich geforderte PFC (power factor correction) zur Gewährleistung einer nahezu sinusförmigen Stromaufnahme schlicht eingespart. Weder eine aktive PFC-Schaltung, noch eine passive PFC-Spule sind vorhanden. Sogar auf der Platine vorgesehene Entstörbauteile werden nicht bestückt: Die X-Kondensatoren und stromkompensierte Drosseln werden erst gar nicht eingebaut.

Primärseite: Eingesparte Entörbauteile und unterschiedliche Dioden für 230 V und 115 V

Auf der Primärseite wurden Entörbauteile eingespart: Die Gleichtaktdrossel FL2 wurde durch Brücken ersetzt; statt des Primärgleichrichters befinden sich unterschiedliche Dioden für 230 V und 115 V, die wiederum das Einsetzen des vorgesehenen Entstörkondensators CX2 verhinderten.

Zur Entstörung zwischen Schutzleiter und Phasen-/Neutralleiter müssen besonders sichere Y-Kondensatoren eingesetzt werden. Sie müssen den Schutz vor gefährlichen Körperströmen gewährleisten. Wer hier Standard-Kondensatoren einsetzt handelt nicht nur gesetzeswidrig, sondern gefährdet auch das Leben des PC-Nutzers.

Primärseite: Standard-Keramikkondensatoren statt der vorgeschrieben Y-Typen

Unzulässig: Standard-Keramikkondensatoren statt den gesetzlich vorgeschrieben Y-Kondensator-Typen. Wie auf dem Platinendruck erkennbar ist, wurde Sicherheit geplant, aber nicht realisiert.

Sichere Netztrennung

Interne Netzkabel sind an den Kaltgerätesteckern aus Kostengründen verlötet. Es wird neben dem Stecker auch die Isolierung eingespart. Ein geöffnetes Netzteil wird deswegen unnötig lebensgefährlich, denn auch mit vorgeschaltetem Trenntrafo brauch man nur versehentlich mit dem Meßkabel abzurutschen. Aber auch ohne es zu öffnen liegen Netzkabel schon mal an dem Sekundärkühlkörper an. Dieser erreicht bis zu 85°C und kann somit auch eine einfache Isolierung des anliegenden Netzkabels aufschmelzen. 230 V liegen dann direkt am Kühlkörper der Sekundärseite. Das Gleiche kann auch dem Kabel des 12-V-Lüfters passieren, welches in unmittelbarer Nähe zu den unisolierten verlöteten Steckkontakten der Kaltgerätestecker liegt. Wie es richtig gemacht ist zeigt das folgende Bild: Der manchmal eingesparte Isolierschlauch bildet eine zweite Isolierung.

Gefährliche Kabelführung bei heißem Kühlkörper

Die Kabelführung kann bei aufschmelzender Isolierung der Netzkabel zum direkten Kontakt mit dem Kühlkörper der Sekundärgleichrichter führen.

Das Kabel des 12-V-Lüfters wird oft in unmittelbarer Nähe zu den unisolierten verlöteten Steckkontakten der Kaltgerätestecker verlegt. Dabei wird nicht immer ein Isolierschlauch als zweite Isolierung verwendet, wie in dem vorigen Bild zu sehen ist.

Weiterhin werden auch die Mindestabstände zwischen Primär- und Sekundärseite nicht eingehalten. Zwar werden Mindestkriechstrecken oft mit einer Ausfräsung der Platine erreicht, aber die Mindestluftstrecke wird dadurch nicht vergrößert. Entweder wurde unter dem potentialtrennenden Optokoppler eine Leitung auf der Platine entlang geführt oder gleich ein zu geringer Abstand mit eingeplant. Eine lose Mutter, Unterlegscheibe oder Schraube kann zur tödlichen Gefahr werden, wenn die verbleibenden Millimeter durch diese überbrückt werden.

Eine zu kleine Mindestluftstrecke kann z. B. bei einer losen Mutter die sichere Netztrennung überbrücken

Das Bild zeigt die komplette Layoutseite eines 150 Watt Netzteils im ITX-Format.
Die zu kleine Mindestluftstrecke von ca. 3 mm kann z. B. durch eine lose Mutter überbrückt werden.
Für PELV (protective extra low voltage) sind mindestens 5,5 mm vorgeschrieben.

Trotz der zu kleinen Mindestluftstrecke befinden sich die Prüfzeichen auf dem Netzteil-Aufkleber

Trotz der zu kleinen Mindestluftstrecke befinden sich die Prüfzeichen auf dem Netzteil-Aufkleber.

Der Käufer sieht nur den Aufkleber mit den Prüfzeichen. Das Netzteil "glänzt" mit dem CE-Konformitätszeichen und mit bekannten Prüfzeichen wie TÜV, UL, etc. Dabei leidet auch die Glaubwürdigkeit dieser Prüfzeichen. Es fehlt nur noch ein (blauer) Engel, damit man sich an diesen gewöhnt, wenn's mal zu einem Defekt kommt und einen die Spannung "erwischt".

Wir wollen hier keine Angst und Schrecken verbreiten. Zum Glück sind Tastatur und Maus aus nichtleitendem Kunststoff. Man selbst ist normalerweise also nicht elektrisch leitend mit dem PC verbunden. Aber was passiert wenn z. B. der Schutzleiter eine Unterbrechung hat? Ist dieser Fehler bereits vorhanden wird es kritisch wenn die lose Mutter die sichere Netztrennung wegen zu kleinem Mindestabstand überbrückt - oder die Standard-Kondensatoren statt der sicheren Y-Typen leitend werden - oder die Netzkabel schmelzen wegen dem ausgefallenen Lüfter und dem überhitzten Kühlkörper und einen leitenden Kontakt zur Sekundärseite herstellen... Faßt man dann an das Metallhehäuse können durchaus lebensbedrohliche Körperströme fließen. Dieses Gefährdung ist bei einem Netzteil, welches den Vorschriften und Normen genügt (fast) nicht möglich.

Sekundärseite

Auf der Sekundärseite kosten Ausgangsfilter nicht nur Platz. Die Bauteile sind aufgrund der hohen Ausgangsströme keine Billigprodukte. Je eine Entstördrossel und ein Elko bilden pro Ausgang einen Tiefpaß, der die Welligkeit der Ausgangsspannung und die Störspitzen der Schaltvorgänge wirksam reduziert, sofern sie vorhanden sind, also eingebaut wurden. Bei 3 Ausgängen (+3,3 V, +5 V und +12 V) macht das zusammen 6 Bauteile. Was der Entwickler als technisch notwendig erachtete wird aus Kostengründen in der Serie dann kurzerhand eingespart: Freiraum statt der Filter-Elkos und Drahtbrücken statt der Entstördrosseln sind nunmal billiger. Ob das ein EMV-Prüflabor bei der Messung zur CE-Konformität auch so gut bewertet hätte?

Sekundärseite: Ausgangsfilter bestehend aus Entstördrossel und Elko wurden eingespart

Auf auf der Sekundärseite wurden Ausgangsfilter bestehend aus Entstördrossel und Elko eingespart.

Bei dem 3,3 V Ausgang kommt es manchmal gar nicht soweit. Hier werden die 5 V linear heruntergeregelt, womit das "Schaltnetzteil" seinen Namen nicht mehr verdient. Bei 20 A macht das zusätzliche 34 W Verlustleistung. Nur ein wesentlicher Punkt, der den schlechten Wirkungsgrad begründet.

Die Rückführungen der Ausgangsspannungen werden oft mit 5%-Widerständen realisiert. Dabei schöpft die Referenz des Regel-ICs bereits die geforderten 5% Toleranz voll aus. Hinzu kommen noch die Spannungsabfälle entlang der Kabel und an den Steckkontakten. Schließlich ist noch prinzipbedingt eine Restwelligkeit vorhanden. Summa summarum sind weit über 10% Toleranz möglich. Selbst wenn bei dem Hersteller ein Abgleich erfolgt, eine Aussage über das Verhalten der Langzeitdrift sucht man vergebens.

Netzteile gleichen Typs verursachen bei PCs mit identischem Aufbau einen Absturz - oder auch nicht. Deutlicher ist das Gegenteil von Qualität kaum realisierbar. Bei einigen Netzteilen kann sich derjenige glücklich schätzen, der sagen kann:

"Mein PC läuft aber mit dem XYZ-Netzteil."

Die Toleranz liegt dann nicht an der Untergrenze. Aber wie lange noch?

Wer die ATX-Spezifikation und die Daten einiger ausländischer Hersteller vergleicht, wird eine frappierende Übereinstimmung der Werte feststellen. Sollte hier einfach abgeschrieben werden um die ATX-Spezifikation zu erfüllen? Jedenfalls geben renommierte Hersteller maximal 80.000 Stunden als Lebenserwartung (MTBF: mean time between failures) für ihre besten Lüfter an. Wie Netzteile mit zum Teil mehreren Lüftern nun sicherer sein können entzieht sich der Logik. Trotzdem sind die in der ATX-Spezifikation geforderten 100.000 Stunden für die MTBF im Datenblatt des Netzteils zu finden. Da dieser Wert auch noch unter der irrigen Annahme die Umgebungstemperatur sei 25°C gemacht wird, ist das Datenblatt wie auch die Zuverlässigkeit wohl eher als Illusion anzusehen.

Inakzeptable Lastausregelung

Inakzeptable Lastausregelung: Toleranzbereich wird überschritten.

Eine weitere Illusion sind die Werte für Spannung und Strom der Ausgänge. Statische wie auch dynamische Werte überschreiten deutlich die Grenzwerte. Die Hersteller von Motherboards dürfen ein solches Desaster dann mit ihren Onboard-Spannungswandlern kompensieren. Weitere Folge: Der ATX-12V-Stecker und der ATX-AUX-Stecker wurden nötig. Für die +12 V wurde gerade einmal ein Kontakt im ATX-Stecker vorgesehen. Die ATX-Spezifikation weist hier eine kurzfristige Festlegung ohne Reserve auf. Und so hängen die nicht-benötigten Zusatzstecker des Netzteils womöglich unbefestigt im PC. Eine falsche Bewegung und ein Kurzschluß wird's richten.

Kühlung und Lüftung

Zuviel gespart - oder Speicherdrosseln sind auch teuer. Insbesondere wenn diese unterdimensioniert sind heizen sie sich erheblich auf und führen zum Ausfall des gesamten Netzteils. Während bei einem Netzteil "nur" 140°C bei Voll-Last gemessen wurde, dürfte die Temperatur bei der Drossel im folgenden Bild noch deutlich höher gewesen sein. Hier wurde sogar die Isolierung des Kupferlackdrahtes in Mitleidenschaft gezogen.

Überhitzte Speicherdrossel aus einem ATX-Einschubnetzteil

Eine überhitzte Speicherdrossel aus einem ATX-Einschubnetzteil:
Die ursprüngliche Farbe des Ferritkerns war (wahrscheinlich) gelb.
Der schwarze Schrumpfschlauch ist mit den Wicklungen verschmolzen.

Das schlechte Design wird konsequent durch eine falsche Platzierung der Elkos nahe an Wärmequellen fortgesetzt, wie z. B. neben den Speicherdrosseln und den Kühlkörpern. Damit der laute Lüfter seine Kühlung gänzlich verfehlt, werden die Elkos unter dem Kabelstrang begraben und haben auch sonst unter der konzeptionslosen Luftführung zu leiden. Die eingebauten Billig-Elkos trocknen noch schneller aus und die Spannungen brechen ein. Das soll dann kompensiert werden durch Netzteile mit 3 Lüftern. - Nicht gerade ein herausragendes Kühlungsskonzept.

Netzteil mit Einstellregler der Lüfter-Drehzahl

Blasphemie einer Regelung: Einstellregler der Lüfter-Drehzahl.

Dennoch läßt sich auch Positives berichten: Bekannte Firmen haben zum Beispiel ein gutes Wandler-Konzept, die Lüftung hingegen ist Blasphemie. Wer ein Poti einbaut, um die Drehzahl des Lüfters einzustellen, hat weder den Vorteil noch die Funktion einer Regelung begriffen. Sowohl die maximal zulässige Temperatur der Bauelemente im Netzteil, als auch die maximale Innentemperaturs des PC-Gehäuses (AMD: 42°C, Intel: 45°C) liegen fest. Optimal ist also die Temperaturen knapp unterhalb der Maximalwerte zur Regelung zu verwenden. Ob überhaupt PC-Netzteile existieren, die beide Grenzwerte auswerten ist zu bezweifeln. Dem Käufer wird dann noch ein solcher Einstellregler als "innovatives Feature" verkauft.

Messungen

Auch so manche Software kann man mittlerweile nur noch als miserabel bezeichnet werden. Sogenannte Hardware-Monitore haben eine anschauliche Darstellung, aber von einer "Messung" kann hier nun wirklich nicht mehr gesprochen werden. Der Anspruch das System zu überwachen und bei einer Grenzwertüberschreitung den Rechner durch ein kontrolliertes Herunterfahren (Shutdown) zu schützen wird mit dieser Dysfunktion nicht erreicht werden.

Hardware-Monitor ASUS-Probe auf einem ASUS A7V133: Drehzahl-"Messung" der Lüfter

Hardware-Monitor ASUS-Probe auf einem ASUS A7V133 (Meßintervall mit 5 s):
Bei der Drehzahl-"Messung" der Lüfter kommen Ausreißer (beide obere gelbe Meßkurven) und Aussetzer (untere gelbe Meßkurve) schon mal vor.

Die Werte der Netzteilspannungen, Lüfterdrehzahlen und Temperaturen, wie sie z. B. im Bios oder über ASUS-Probe, Motherboard-Monitor und ähnliche dargestellt werden, haben des öfteren Ausreißer. Die angezeigten Werte zeigen schon mal Einbrüche der Drehzahl auf Null, obwohl der Lüfter unbeirrt weiterdreht. Auch die angezeigten Spannungen lassen sich weder mit einem Multimeter, noch auf einem Oszilloskop nachvollziehen. Mit letzterem werden jedoch Spannungsspitzen über 20 V sichtbar. - Wen wundert's bei den "eingesparten" Bauteilen? Allerdings wundert es einen, was die PC Komponenten so vertragen (müssen).

Fazit

Es ist überraschend, wie so viele PCs funktionieren oder anders gesagt wie selten diese ausfallen. Wirklich erschreckend ist, wie schnell ein PC-Benutzer sich in Lebensgefahr begibt. Käufer und Anwender vertrauen auf die immer so hoch gepriesene Qualität der Sicherheitszeichen und Normen. Aber was nützen diese, wenn eine Kontrolle bei mißbräuchlicher Verwendung in praxi nicht alle Netzteile erfassen kann? Die obigen Bilder beweisen wie sorglos einige Hersteller von PC-Netzteilen mit dem Leben ihrer Kunden umgehen. Ein Kostendruck darf keinesfalls zur Lebensgefahr führen. Wenn dem so ist, sollte der Käufer daraus folgern:

Made in Germany ist nicht teuer, aber sicher.

Farbige Trennlinie

Weiterführende Links

Weitere Infos über PC-Netzteile, deren Steckverbindungen, Leistung, Test, Auswahl und ATX-Spezifikation erhalten Sie unter PC-Netzteile.

Viele wichtige Begriffe sind in unserem Elektronik-Glossar erklärt.

Letzte Änderung: 28.11.2003

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